Der „neue“ Arbeitsalltag erschöpft unsere Fachkräfte

Mit dem Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020 hat sich der Büroalltag für viele Arbeitnehmer drastisch verändert. Heute fühlen sich viele Fachkräfte erschöpft und frustriert. Doch was genau hat diesen Zustand hervorgerufen?
19.04.2024

Der "neue" Arbeitsalltag – er besteht seit dem Ausbruch der Coronapandemie in 2020 und lässt Arbeitnehmer heute müde und erschöpft sein. Wie hat sich der Arbeitsalltag verändert und was hat zu diesem Zustand geistiger Erschöpfung geführt?

 

Der „neue“ Arbeitsalltag nach der Pandemie

 

Die Coronapandemie hat den Arbeitsalltag von Fachkräften grundlegend verändert: Viele arbeiten seither regelmäßig im HomeOffice, ohne physischen Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten. Zudem verbringen sie deutlich mehr Zeit in digitalen Terminen: Im Vergleich zur Zeit vor der Coronapandemie ist ein Anstieg von bis zu 300% zu verzeichnen. Die Arbeitswelt hat sich verändert und damit auch der Umgang der Mitarbeiter mit den veränderten Rahmenbedingungen. Im Nachhinein lassen sich Trends ablesen.

 

Zunächst gab es die sogenannte „große Kündigungswelle“ (engl.: “The Great Resignation“). Aufgrund von monatelangen Schließungen in einigen Sektoren aufgrund der Coronabestimmungen beispielsweise in der Gastronomie suchten sich viele Angestellte eine neue Arbeitsstelle. Andere kehrten ihrer bisherigen Branche bewusst den Rücken und suchten sich Arbeit in einem anderen Sektor, der sicherer und krisenfester schien.

 

Nachdem die Coronabestimmungen in 2021 gelockert wurden, gab es eine Phase, die auf Englisch “Remote-Work Wars“ heißt. Sie meint die Verteidigung des Anspruchs auf Home-Office vieler Arbeitnehmer. Arbeitgeber, die das Arbeiten von Zuhause lediglich als vorübergehende Maßnahme betrachteten, wurden überrascht, als ihre Mitarbeiter dies als ihr Recht reklamierten. Es entstanden angespannte Situationen, die sich in einem vermeintlichen Frieden mit hybriden Arbeitsmodellen niederschlugen. Der Kampf um das Recht auf Home-Office und die unausgeglichene Arbeitsatmosphäre verursachte Zweifel, Unzufriedenheit und Erschöpfung unter den Arbeitnehmern.

 

Im Sommer 2023 folgte etwas, dass im Englischen als “Quiet Quitting“ bezeichnet wird. Auf Deutsch meint der Begriff die „Innere Kündigung“. Der Mitarbeiter ist unzufrieden mit seiner Arbeit oder den Rahmenbedingungen und zeigt immer weniger Engagement oder Eigeninitiative in seinen Aufgaben. Von außen wirkt es so, als wäre er nicht mehr im Dienst seines Arbeitgebers tätig.

 

Seit dem Ende des Jahres 2023 befinden sich viele Fachkräfte in einem Zustand vollständiger mentaler Erschöpfung. Die "Great Resignation" hat sich zur "Great Exhaustion" entwickelt. In der „Remote-Work Wars“ Phase haben sie sich das Recht auf HomeOffice erkämpft, müssen nun aber feststellen, dass sie nicht ausgeglichen, sondern müde und erschöpft sind. Es scheint etwas anderes zu geben, dass die Erschöpfung der Arbeitnehmer auslöst. Welche Rolle spielen Kommunikationstools wie E-Mail Programme, Chats und Videokonferenzen?

 

Wie beeinflusst uns digitale Kommunikation?

 

Eine der wesentlichen Veränderungen des neuen Arbeitsalltags betrifft die intensive Nutzung digitaler Kommunikationstools wie E-Mail, Chat und Videokonferenzen. Insbesondere in den frühen Wochen der Pandemie boten Plattformen wie Zoom und Slack eine Art Rettungsleine. Doch selbst als sich die Arbeitswelt wieder in einen stabileren Rhythmus begab und wieder mehr Zeit im physischen Büro verbracht wurde, blieb der Umfang der digitalen Kommunikation hoch.

 

Die Zahlen sprechen für sich: Ein Bericht von Microsoft ergab, dass Microsoft-Nutzer inzwischen fast 60 Prozent ihrer Zeit mit digitalen Kommunikationstools verbringen – E-Mail, Chat und Videokonferenzen –, während nur noch 40 Prozent für die Kreation, also die Arbeit mit Softwares wie Word. Jeder vierte untersuchte Arbeitnehmer verbrachte fast einen ganzen Arbeitstag pro Woche allein mit dem Durcharbeiten von E-Mails. Hinzu kommt die Arbeitszeit, die er für Abstimmungen in Chats und sonstigen digitalen Terminen aufbringt.

 

Studien zeigen eine Verbindung zwischen vermehrter digitaler Kommunikation und einer Abnahme der Zufriedenheit: Hohe Anforderungen an digitale Kommunikation korrelierten mit schlechten Gesundheitsergebnissen. Ähnlich ergaben Experimente, dass die Stresslevel von Fachkräften anstiegen, je länger sie sich mit E-Mails beschäftigten.

 

Die Konsequenz dieser Kommunikationsüberlastung ist eine ständige Unterbrechung der Aufmerksamkeit und ein Gefühl der mentalen Erschöpfung. Viele Arbeitnehmer klagen darüber, dass sie während ihres Arbeitsalltags zu wenig ununterbrochene Fokuszeit haben. Diese Flut von digitaler Kommunikation verschwimmt auch die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben. Wenn der Posteingang schneller wächst, als man mithalten kann, wird es schwer, nach Feierabend abzuschalten und sich zu erholen. Denn der Druck, die unerledigten Dinge abzuarbeiten, bleibt auch, nachdem der Computer heruntergefahren ist.

 

Die Notwendigkeit von Reformen

 

Wenn der Erschöpfungszustand von Arbeitnehmern verbessert werden soll, muss gehandelt werden. Eine mögliche erste Maßnahme besteht darin, dass in Unternehmen neue Richtlinien festgelegt werden. Zum Beispiel könnte entschieden werden, dass E-Mails nur für die Verbreitung von Informationen und für Fragen verwendet werden dürfen, die mit einer einzigen Antwort geklärt werden können. Dies würde bedeuten, dass fundamentale Themen persönlich diskutiert werden müssten.

 

Um hier eine Explosion neuer Meetings zu verhindern, könnten Bürozeiten eingeführt werden, während derer jeder Mitarbeiter täglich für persönliche, digitale oder telefonische Gespräche ohne Terminvereinbarung zur Verfügung steht. Diskussionen, die voraussichtlich fünfzehn Minuten oder weniger dauern, sollten während dieser Bürozeiten abgehalten werden, um die Anzahl der Meetings gering zu halten und Arbeitnehmer von endlosen E-Mail-Diskussionen zu befreien.

 

Für diejenigen, die sofortige Reaktionen erwarten, mag die Idee, auf eine Antwort zu warten, ineffizient erscheinen. Doch diejenigen, die dieses Modell bereits ausprobiert haben, stellten fest, dass sie zu einer besseren Zeiteinteilung für alle führen kann. Sie berichten, dass das Warten die meiste Zeit kein großes Problem sei. Die gewonnene Zeit und Kontrolle sei enorm.

 

Aber wo passen Instant-Messaging-Dienste wie Slack und Microsoft Teams hinein? Die Notwendigkeit, laufende Chats ständig zu überwachen, kann noch störender und ablenkender sein als häufige E-Mails und Meetings. Diese Tools mögen unvermeidlich erscheinen, aber sind sie das wirklich?

 

Das E-Commerce-Unternehmen Convictional traf die Entscheidung, Chat-Dienste komplett abzuschaffen. In einem Interview von 2021 erklärte Roger Kirkness, der CEO des Unternehmens, dass diese Entscheidung eine Reaktion auf den Frust der Mitarbeiter über Unterbrechungen durch Slack und Meetings war. Laut Kirkness kommen die besten Ergebnisse dann zustande, wenn Arbeitnehmer ungestört und konzentriert arbeiten können.

 

Gemeinsam Veränderung herbeiführen

 

Fachkräfte sollten im Dialog mit ihren Arbeitgebern Probleme und Bedenken äußern. Erst, wenn Herausforderungen offen angesprochen werden, können gemeinsam Schritte definiert werden, die im Idealfall zur Besserung der Lage führen.

 

Auf der einen Seite müssen Arbeitgeber die Dringlichkeit der Situation erkennen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dies könnte die Förderung einer offenen Kommunikationskultur und die Schaffung eines positiven Arbeitsumfelds umfassen. Auf der anderen Seite müssen Arbeitnehmer ihre Stimme nutzen. Indem sie offene Gespräche über Probleme führen und gemeinsam nach Lösungen suchen, können sie aktiv daran arbeiten, eine gesündere Arbeitsumgebung zu schaffen.

 

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