Arbeiten im Zeitalter von KI: „Wie sich der Arbeitsmarkt für verschiedene Berufsprofile und Einsteiger:innen verändert“.

10 Minuten

August 21, 2025 - 3:42 AM

""

Künstliche Intelligenz verändert nicht nur den Einstieg ins Berufsleben tiefgreifend. Viele klassische Aufgaben werden automatisiert, neue Rollen und Profile entstehen. Gerade für Berufseinsteiger:innen bedeutet das mehr Anforderungen, aber auch neue Chancen. Samuel Mete, Senior Director und Arbeitsmarktexperte bei LHH, ordnet die aktuellen Entwicklungen ein und zeigt, worauf es beim Einstieg in eine KI-geprägte Arbeitswelt ankommt.

Samuel Mete

Selektivere Rekrutierung statt weniger Jobs

In gefragten Bereichen wie Consulting, Rechtswesen oder Investment Banking bleibt die Nachfrage nach Absolvent:innen stabil. Laut dem Adecco Swiss Job Market Index Q1 2025 ist die Zahl offener Einstiegsstellen seit der Corona-Pandemie sogar gestiegen. Allerdings verändert sich der Fokus: «Klassische Junior-Aufgaben wie Datenaufbereitung oder Präsentationen übernimmt heute oft KI», erklärt Mete. «Die Unternehmen sind wählerischer geworden. Wer sich bewerben will, muss mehr mitbringen als nur einen Studienabschluss.» Und trotzdem zeigt der Job Index, dass die Anforderungen an das Ausbildungslevel steigen: So haben die Anzahl Stellen, die eine Sekundarstufe II oder eine Tertiärstufe voraussetzen, in den letzten Jahren zugenommen.

HR, Kommunikation und Verwaltung im Umbruch

Berufsfelder wie Human Resources, Kommunikation und Administration sind besonders stark von Automatisierung betroffen. Aufgaben wie das Screening von CVs, das Erstellen von Inseraten oder das Verfassen interner Standardtexte lassen sich heute zuverlässig durch KI erledigen. Mete betont: «Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Berufsfelder verschwinden. Vielmehr verlagern sich die Schwerpunkte weg von operativer Routine hin zu strategischen, personenzentrierten Tätigkeiten, etwa in der Organisationsentwicklung oder im Change-Management. »

Kaufmännische Berufe unter Druck

Auch im kaufmännischen Bereich zeigt sich Zurückhaltung bei der Stellenbesetzung. Wie der er aktuelle Fachkräftemangel-Index 2024 zeigt, nehmen in der Buchhaltung, im Controlling oder in der Sachbearbeitung automatisierte Prozesse zu. Gleichzeitig entstehen neue Rollen, zum Beispiel in den Bereichen Digital Reporting, Financial Data Analysis, Controlling mit KI-gestützten Tools oder AI-Governance:

„Die Anforderung verschiebt sich also auch hier von reiner Prozessabwicklung hin zu Interpretation und Entscheidungsunterstützung. Grundsätzlich gilt aber unabhängig von Branchen und Funktionen, dass auch die wirtschaftlich und geopolitisch instabile Lage dazu beiträgt, dass weniger Stellen ausgeschrieben werden.“ sagt Mete. Er ergänzt: „Die Automatisierungen machen nicht vor einzelnen Branchen Halt. Wir sehen einen sektorübergreifenden Trend, aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Besonders betroffen sind aktuell Branchen mit hohem Anteil an standardisierbaren Prozessen.”

Der Einstieg dauert länger, aber es lohnt sich

Der Berufseinstieg ist komplexer geworden. Viele Unternehmen sind anspruchsvoller, der Rekrutierungsprozess dauert länger.

„Es gibt nicht weniger Chancen, aber höhere Erwartungen“, sagt Mete. „Wer KI versteht und sinnvoll nutzt, ist heute besonders gefragt.“

Was Berufseinsteiger:innen heute mitbringen sollten

Mete empfiehlt ein hybrides Skillset mit drei Kernkompetenzen:

  1. Digitale Kompetenz: Verständnis für KI, Automatisierung, Datenanalyse und Ethik
  2. Lernbereitschaft & Agilität: Neue Tools schnell adaptieren, offen für Veränderungen sein, lebenslang lernen.
  3. Human Skills: Kreativität, kritisches Denken, Empathie, Kommunikation und Resilienz.

„Wer diese Kombination mitbringt, hat aus meiner Sicht heutzutage klare Wettbewerbsvorteile“, so Mete.

Veränderung betrifft alle – nicht nur den Nachwuchs

Entscheidend ist der Umgang mit Wandel – nicht nur für Berufseinsteiger:innen, sondern für alle Generationen im Arbeitsmarkt. Viele Firmen setzen auf Umschulungen, interne Weiterentwicklung und Reskilling-Programme, um junge Talente in neue Rollen zu überführen. Aber auch im mittleren und höheren Management führen Automatisierung, wirtschaftlicher Druck und geopolitische Unsicherheiten zu Umstrukturierungen.

„Entscheidend ist nicht das Alter, sondern die Bereitschaft, neue Technologien zu verstehen und mitzugestalten“, betont Mete.

Der Arbeitsmarkt verändert sich, aber er schliesst niemanden aus. Für Berufseinsteiger:innen wie auch erfahrene Arbeitnehmende gilt: Wer flexibel, lernbereit und technologieoffen ist, hat heute mehr Möglichkeiten als je zuvor.

Oder wie Mete sagt: „Die grüne Wiese ist grösser und spannender geworden – man muss nur bereit sein, sie zu betreten.“