Frauen in Führungspositionen: Wie ist der aktuelle Stand im Finanzsektor?

Der Finanzsektor in Deutschland braucht einen Imagewandel! Die Branche ist nach wie vor eine Männerdomäne, zumindest in den Führungsetagen. Wenn das Finanzwesen diverser, bunter und moderner werden will, muss es verstaubte und konservative Prozesse und Strukturen überdenken und frischen Wind zulassen. Nur so kann Änderung eintreten und damit die Attraktivität der Branche bei Frauen steigen.
02.06.2023


Frauenquote, Chancengleichheit, Geschlechterquote in Vorstandsetagen – all diese Maßnahmen und Schlagworte zielen darauf ab, den Frauenanteil in Vorständen und Führungspositionen zu erhöhen. Doch wie ist der Status Quo in Deutschland wirklich und wie hängt der Gender Pay Gap damit zusammen? Was dürfen wir von diesem Thema in Zukunft erwarten?

 

Entwicklung und Status Quo


Betrachtet man die Gesamtheit der Mitarbeiter im Finanzwesen, so ist das Geschlechterverhältnis relativ gleich aufgeteilt: Frauen sind zu 48% als Arbeitnehmerinnen vertreten. Auffällig ist jedoch, dass der Frauenanteil abnimmt, je höher die Position ist. Müssen wir im Jahr 2023 noch davon ausgehen, dass der Finanzsektor nach wie vor eine Männerdomäne ist?  

Laut Statista liegt der Frauenanteil in den Vorständen großer Banken in Deutschland im Jahr 2022 bei 14,4 % – das ist der Höchststand seit 2006, als die Statistik angefangen wurde zu führen. Eigentlich ein Grund zur Freude. Doch insgesamt gesehen ist diese Zahl noch immer recht gering und sie sagt außerdem aus, dass 85,6% der Führungspositionen im Finanzsektor Männer innehaben – das ist alles andere als ausgeglichen. Doch warum ist das so?

Mögliche Ursachen für die Ungleichheit


Das liegt zum einen in der traditionellen und immer noch beliebten Familienkonstellation begründet: Sowohl die Kinderbetreuung als auch die Pflege älterer Menschen wurden und werden häufig von Frauen übernommen. Das zwingt Frauen oft dazu, eine Teilzeitstelle anzunehmen. Und diese ist wiederum schlecht vereinbar mit einer Führungsposition – ein Teufelskreis.

Eine Studie der Universität Mannheim fand außerdem heraus, dass die Finanzbranche von vielen Frauen als nicht attraktive Branche wahrgenommen wird. An der Studie haben 1200 Studentinnen und Studenten teilgenommen. Zum einen liegt diese Wahrnehmung daran, dass viele der Studentinnen einen Job in der Finanzbranche nicht mit ihren Moralvorstellungen vereinbaren können. Das Image der Branche hat seit Beginn der Finanzmarktkrise 2007 beträchtlich gelitten und sich bis heute nicht erholt. Gemessen an der öffentlichen Wahrnehmung belegt die Finanzindustrie auf der Beliebtheitsskala den vorletzten Platz – vor der Energiebranche.

Desweiteren gaben die Studienteilnehmerinnen an, dass die Arbeitsatmosphäre wenig kollegial und von Rivalität geprägt sein soll. Diese „Ellenbogenmentalität“ kommt bei Frauen deutlich weniger gut an als bei Männern: Ein Drittel der männlichen Teilnehmer gab an, dass es die Branche gerade deshalb spannend findet.

Der ausschlaggebendste Grund war jedoch die wahrgenommene schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daher bevorzugen Frauen die Unternehmensbereiche Marketing und Personalwesen, während Männer den Finanzbereich favorisieren.

Zu guter Letzt spielt auch die Tatsache, dass es an weiblichen Vorbildern mangelt, eine Rolle. Wenn es nicht genug Frauen in Toppositionen gibt, zu denen man aufschauen und an denen man sich orientieren kann, sinkt womöglich auch die eigene Motivation und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Doch warum ist die Lage in anderen europäischen Ländern so viel besser als in Deutschland?

Chancengleichheit in der Finanzbranche: In Deutschland Fehlanzeige


Eine Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles, die 2021 die 30 größten europäischen Versicherer untersucht hat, zeigte, dass der Frauenanteil in den Vorständen der deutschen Konzerne mit durchschnittlich acht Prozent am geringsten war. Britische Versicherer kamen auf eine Frauenquote von 28 Prozent im Vorstand, in Frankreich waren es 27 Prozent. Das sind rund 20 Prozent mehr Frauen in Vorständen als in Deutschland.

Einer der Gründe hierfür ist, dass die Kinderbetreuung in Großbritannien und Frankreich viel besser organisiert sei. Darüber hinaus fehle es an Frauenförderungsprogrammen, z. B. Mentoringprogramme. Vor allem nach der Rückkehr aus der Elternzeit fehle häufig die Möglichkeit, Führungspositionen in Teilzeit oder im Jobsharing zu übernehmen.

Der deutsche Finanzsektor steht seit Jahren vor einer riesigen Herausforderung: Der Frauenanteil in Vorstandspositionen ist verschwindend gering. Bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind die Zahlen erschreckend: Der Frauenanteil in diesen Unternehmen liegt bei 4,5 bis 6,1 %. In Genossenschaftsbanken gibt es sogar mehr Vorstände mit dem Namen Thomas (93) als weibliche Vorstände insgesamt (88).

Wird der Zuwachs an weiblichen Vorständen in den 100 größten deutschen Banken linear fortgeführt, ist eine Geschlechterparität erst im Jahr 2098 hergestellt – aber von einer linearen Entwicklung kann nicht einmal gesprochen werden. Obwohl das Thema Diversität insgesamt eine immer stärkere Aufmerksamkeit erhält, geht es nach wie vor im Schneckentempo voran.

Wenn Unternehmen im Finanzsektor nachhaltig erfolgreich sein möchten, müssen die Führungsetagen diverser werden. Es gibt Studien, die belegen, dass pro 10% Steigerung der Geschlechtervielfalt bei Führungskräften das EBIT ebenfalls steigt, und zwar um ganze 3,5 % – Grund genug, das unterrepräsentierte Geschlecht mehr zu fördern.

Tipp für Unternehmen: Der erste Schritt ist die Wahrnehmung der mangelnden Diversität in Unternehmen im deutschen Finanzwesen und die Anerkennung derselben als Problem. Erst im nächsten Schritt können konkrete Maßnahmen beschlossen werden, um die Geschlechtergleichheit zu erhöhen.

Mögliche Lösungswege


Der erste mögliche Lösungsansatz wäre also die Reformierung der Kinderbetreuung, wie die Beispiele aus anderen Ländern gezeigt haben. Auch sollten Unternehmen ab einer bestimmten Größe oder einem bestimmten Jahresumsatz verpflichtet werden, ein Frauenförderungsprogramm anzubieten. Es gibt sicherlich genug Frauen, die von ihren Fähigkeiten her für den Finanzsektor bestens geeignet wären, die aber nicht selbstbewusst genug ihren Karriereweg verfolgen– im Mentoringprogramm könnten solche Dinge ergründet und Frauen ermutigt und gefördert werden.

Insgesamt sollten Unternehmen mehr Offenheit gegenüber alternativen Führungsmodellen zeigen. Frauen mit Teilzeitstelle sollten nicht benachteiligt werden, wenn es um Spitzenpositionen geht. Es könnte z. B. geteilte Führungspositionen geben: Zwei Frauen je in Teilzeitanstellung, die sich den Posten teilen. Für Urlaubs- oder Krankheitszeiten ist ein solches Modell ohnehin besser geeignet als das klassische.

Auch im Gesetz sollten gewisse Quoten verankert werden, damit die Chancengleichheit nach und nach immer mehr gewährleistet werden kann. Auf EU-Ebene gibt es bereits eine neue Regelung, die bis 2026 erreicht werden muss: 40% aller Aufsichtsratmitglieder müssen bis dahin weiblich sein. Die Munich Re hat diese Forderung bereits erfüllt: Bei dem Konzern sind acht der 20 Aufsichtsratmitglieder schon jetzt weiblich. Die Allianz setzt noch einen drauf, hier sind 42 % des Aufsichtsrats weiblich. Auch die Talanx will ab diesem Jahr mindestens jede zweite freie Führungsposition mit einer Bewerberin besetzen.

Gender Pay Gap: Auch hier hinkt Deutschland


Der Gender Pay Gap beschreibt den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. In Deutschland lag dieser im Jahr 2022 bei 18 Prozent – das Bruttogehalt der Frauen war demnach durchschnittlich 18 Prozent niedriger als das der Männer. Damit schneidet Deutschland im EU-Vergleich, wie auch schon bei der Frage nach der Geschlechtergleichheit in Führungspositionen, schlecht ab: Der Gender Pay Gap betrug im Jahr 2021 in der Europäischen Union im Durchschnitt 13 Prozent. Länder wie Rumänien, Polen und Slowenien machen es besser: Der Gender Pay Gap liegt hier bei unter 5 Prozent. LHH Recruitment Solutions geht mit gutem Beispiel voran:

"Bei LHH Recruitment Solutions legen wir großen Wert auf Geschlechtergleichheit. Wir leben den Equal Pay Grundsatz und bezahlen deshalb alle Menschen gleich – ganz unabhängig von deren Geschlecht. Damit schaffen wir einen Anreiz für Frauen, in Führungspositionen zu arbeiten."

Stephan Bahns, Vice President DIS AG / LHH Recruitment Solutions

Fazit


Der Finanzsektor braucht einen Imagewandel! Man kann sagen, dass die Branche nach wie vor eine Männerdomäne ist, zumindest in den Führungsetagen. Wenn das Finanzwesen diverser, bunter und moderner werden will, muss es verstaubte und konservative Prozesse und Strukturen überdenken und frischen Wind zulassen. Nur so kann Änderung eintreten und damit die Attraktivität der Branche bei Frauen steigen.

 

 

 

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